Die Welt im Unternehmen:

Bei einem großen Mittelständler hat sich im wirtschaftlichen Auf und Ab der Wirtschaft, die Stammbelegschaft auf einem niedrigen Niveau stabilisiert. Die Konkurrenz auf dem Weltmarkt ist groß und schläft nicht. Kostensenkung und produktivitätsorientierte Lohnpolitik hat auch in guten Zeiten einen hohen Stellenwert. Das führt in den Werkshallen dazu, dass der langjährige Stammmitarbeiter, Seite an Seite mit einem jungen Facharbeiter steht, der vor 1,5 Jahren befristet eingestellt wurde. Ob sein 2-Jahres-Vertrag demnächst verlängert wird weiß er nicht. Ein Leben in Wartestellung. Er bedient die Maschine neben dem „alten Hasen“, in der Qualifikation steht er ihm nicht nach.

Die Anderen in der Gruppe sind Zeitarbeiter. Sie bleiben meist nicht viel länger als vier bis sechs Monate und arbeiten für gut die Hälfte des Einkommens von Festangestellten. In den Pausen dreht sich das Gespräch der „Zeitarbeiter“ meist um ihre prekäre Situation und wann man wohl mal was „Festes“, irgendwo findet. Die vertraglich Bessergestellten haben oft ein schlechtes Gewissen, ob dieser Situation und fühlen sich unwohl. Gleichzeitig gibt es oft Ärger aus der Stammbelegschaft. Befristete Mitarbeit oder Zeitarbeitsnehmer fallen aus, sind häufiger krank, kommen einfach nicht zur Arbeit. Als Folge besteht die Notwendigkeit, den Ausfall durch Überstunden der Stammbelegschaft auszugleichen. Oftmals fehlt das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der „anderen Kollegen“. Das Konfliktpotenzial ist groß.

Die Arbeitswelt in Zahlen:

Jeder zwölfte Arbeitsvertrag hat ein Verfallsdatum

 

Fast jede zweite Neueinstellung (47 %) ist heute befristet. Der Gesamtwert von befristeten Arbeitsverträgen in Deutschland lag bei rund 8% im Jahr 2013. Die Belastung bei verschiedenen Alters- und Bildungsgruppen ist sehr unterschiedlich. Akademiker sind mit einem Schnitt von rund 29% betroffen. Frauen (mit 9%) sind nicht wesentlicher mehr betroffen als Männer (8%) – eine Differenz, die sich in den vergangenen 20 Jahren deutlich verändert hat. Im Jahr 1991 hielten 7% der Frauen und 5% der Männer einen befristeten Arbeitsvertrag in den Händen. Auch die Branchenzugehörigkeit spielt eine wesentliche Rolle. An den Hochschulen ist der Anteil befristeter Arbeitsverträge sehr hoch mit 79,3%, ermöglicht durch das „Gesetz über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft (WissZeitVG)“. Aber auch im Gesundheitswesen liegt die Quote mit 59,5% weit über dem deutschen Durchschnitt, ebenso wie in der öffentlichen Verwaltung mit 28,9%. Für viele ist der Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages die einzige Alternative zur Arbeitslosigkeit – weil sie keine Dauerstelle gefunden haben. Im Jahr 2012 gaben 42,2% der befragten Beschäftigten an, aus diesem Grund „unfreiwillig“ befristet beschäftigt zu sein. 27% gaben als Grund einen Probearbeitsvertrag an und bei 22% war das Ausbildungsverhältnis der Befristungsgrund; nur 5% hatten bewusst ein befristetes Beschäftigungsverhältnis gewählt. Dabei ist der Anteil der ungewollten Zeitverträge weiter gestiegen: Im Jahr 2002 lag er bei gut 36%, im Jahr 2012 bereits bei über 42%.1

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Befriste Arbeitsverträge in Deutschland gesamt

Befristete Arbeitsverträge ..

  • Neueinstellungen gesamt 47% 47%
  • .. in der öffentlichen Verwaltung 29% 29%
  • .. im Gesundheitswesen 60% 60%
  • .. an Hochschulen 79% 79%

Worüber Sie als Chef Klarheit haben sollten – 4 Führungsfragen

Führungskräfte müssen heute zum Teil mit Bedingungen klarkommen, die sie häufig nicht selbst bestimmen.

Diese 4 Führungsfragen stellen sich in diesem Zusammenhang:

 

  • Was können Sie tun, um „Zeitarbeitskräfte“ so gut wie möglich zu integrieren und „Kastendenken“ zu vermeiden?

  • Wie gehen Sie mit befristetet eingestellten Mitarbeiter fair und offen um und machen deren Unsicherheit erträglicher?

  • Wie sorgen Sie für mehr Gerechtigkeit, wenn Sie selbst nicht die Möglichkeiten haben, die Spielregeln im Unternehmen zu verändern?

  • Wie beugen Sie einem leistungsfeindlichen Klima der Unkollegialität vor?

Gerechtigkeit ist für die Mehrheit der Menschen ein hohes Gut.

„Gerechtigkeit & Fairness spielen eine wichtige Rolle bei der Regelung des menschlichen Zusammenlebens“
Manfred J. Schmitt – Psychologe

Der Psychologe Manfred J. Schmitt sieht in Ungerechtigkeit, die am Arbeitsplatz erlebt wird, eine Hauptquelle von Konflikten zwischen Kollegen sowie zwischen Mitarbeitern und Führungskräften. Schmitt unterstreicht: „Wie auch immer Ungerechtigkeit am Arbeitsplatz zustande kommt, sie schadet den Betroffen und dem gesamten Unternehmen.“  Erlebte Ungerechtigkeit ist emotional stark belastend und gedanklich penetrant.  Sie stört die Aufmerksamkeit, Konzentration und Leistungsfähigkeit. Sie begünstigt einen „defensiven Egoismus“. Das bedeutet, das betriebliche Gesamtwohl rückt zugunsten der Abwehr persönlicher Nachteile in den Hintergrund“. 2

Leistung und psychologischer Vertrag

Biete sicheren Arbeitsplatz und Gerechtigkeit, erwarte Engagement und Leistung.

Auf diese Kurzformel lässt sich der klassische „psychologische Vertrag“ auf einen Nenner bringen, schreibt Maren Lehky in ihrem Buch Leadership 2.0. Dieser geistige Vertrag ist nicht schriftlich festgelegt, ist aber meist festgenagelt in den Köpfen der Mitarbeiter. Einer modernen Arbeitswelt mit ihrer Anforderung an Flexibilität und Mobilität entspricht er aber immer weniger.

Aber wie sichern wir uns das Commitment unserer Mitarbeiter? Was bieten wir im Gegenzug von Leistung, wenn Unternehmen nur noch sagen können: „Hier ist eine spannende Aufgabe. Aber nur für zwei Jahre. Oder? Steigen Sie bei uns ein. Aktuell läuft es wirtschaftlich gut. Was übermorgen sein wird, wissen wir leider nicht.

Was wäre ehrlicher als leere Versprechen?

 

Gerne wird in diesem Zusammenhang von einem neuen psychologischen Vertrag gesprochen. Dieser Vertrag belohnt das Engagement des Mitarbeiters mit Entwicklungsperspektiven oder Erweiterung von Fähigkeiten und somit die Erhaltung der „Arbeitsmarktfähigkeit“, genannt EMPLOYABILITY.

„Employabilitiy“ ist die neue Zauberformel

Sie ist essenziell für Arbeitgeber, die fördern und unterstützen.

Voraussetzung ist die Bereitschaft des Arbeitnehmers zum lebenslangen Lernen.

 

Nun, vielleicht gehen Sie mal im Geiste Ihre Abteilung durch: Wie viele von Ihren Mitarbeitern und Kollegen arbeiten aktiv an ihrer „Employability“? Wie viele von ihnen würden die Möglichkeit zum Ausbau fachlicher und persönlicher Kompetenzen, als befriedigenden Ersatz für einen sicheren Arbeitsplatz akzeptieren? Was ist mit denjenigen, die weniger flexibel, weniger ehrgeizig, weniger gut ausgebildet sind? Oder die, die weniger stark auf ihre eigenen Fähigkeiten vertrauen?

Meine Erfahrung sagt mir: Viele Menschen denken nicht so.

Und auch für diese Menschen brauchen wir Antworten als Führungskraft.

Was Sie tun können: Sorgen Sie für mehr Menschlichkeit

 

Möglicherweise sträuben sich Ihnen jetzt die Nackenhaare. Schließlich ist es Ihre Aufgabe Ergebnisse abzuliefern und nicht, das Betriebsklima oder „Barmherzigkeit“ zu pflegen. Und doch! Das Eine hängt mit dem Anderen zusammen. Das Arbeitsklima in den Unternehmen ist ein Wirtschaftsfaktor, auch wenn dieser sich nicht unbedingt über eine definierte Kennzahl messen lässt.

Bleiben Sie präsent

Seien Sie ansprechbar, gerade auch für „befristete Mitarbeiter“. Merken Sie sich Namen. Informieren Sie, wann Sie ansprechbar sind, ob per Mail oder per Telefon. Oder setzen Sie fixe Zeiten fest und halten Sie diese Zeiten auch verbindlich ein.  Interessieren Sie sich für den Menschen. Führen Sich Abschiedsgespräche, auch für befristete Mitarbeiter oder Zeitarbeitsnehmer. Nehmen Sie sich die Zeit zu fragen. Was hat gefallen? Was wurde vermisst? Bleiben Sie informiert. Es kostet Sie 20 Minuten.

Setzen Sie positive Signale

Begrüßen Sie neue Mitarbeiter offiziell im Unternehmen. Kann Ihre Abteilung nur dank der Unterstützung von Zeitarbeitsnehmern Spitzenbelastungen bewältigen, sollten Sie diese Bedeutung im Sinne des Ganzen, hervorheben. Loten Sie Ihren Handlungsspielraum aus: Teilnahme am Kantinenessen, Jobticket, Sportkurse & Ernährungsberatung, Werksverkauf, Bewerbungscoachings, Einladung zur Betriebsfeier oder die Möglichkeit an der Teilnahme von Seminaren für befristete Mitarbeiter / Zeitarbeitsnehmer. Unterschätzen Sie auch kleine Zeichen nicht. Vermeiden Sie Negativsignale wie z. B. wenn der Blumenstrauß am Geburtstag üblich ist in der Abteilung, die beiden engagierten Aushilfen aber nicht auf der Liste stehen.

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Wertschätzung

Bleiben Sie berechenbar

Machen Sie Entscheidungen so transparent wie möglich und lassen Sie Ihre Mitarbeiter nicht unnötig lange im Ungewissen. Zögern Sie Entscheidungen nicht bis zum letzten Moment hinaus und benutzen Sie Unsicherheit auf keinen Fall als Druckmittel. Dieser Schuss geht über kurz oder lang nach hinten los. Sagen Sie aber auch klar, wenn Sie jemanden nicht behalten werden, weil seine Leistung oder Kompetenzen nicht ausreichend sind. Seien Sie als Führungskraft so klar und berechenbar wie möglich.

Zeigen Sie Fürsorge

Fürsorge.. das ist ein Wort, das irgendwie aus der Mode gekommen ist. Die Zeiten haben sich geändert. Doch, haben sich deshalb die Menschen geändert? Wir alle haben ein Bedürfnis nach Wertschätzung und Aufmerksamkeit. Das geht von kleinen Gesten wie Gruß- und Blickkontakt über die Nachfrage, wenn jemand unglücklich oder krank wirkt bis zu konkreten Hilfsangeboten. Das kann auch ein Hinweis über Kinderbetreuungsmöglichkeiten oder Wohngeld sein. Das kann aber auch ein ernstes Wort sein, wenn jemand durch sein Verhalten, eine Weiterbeschäftigung auf Spiel setzt. Im Kern bedeutet Fürsorge nichts anderes als: „Ich kümmere mich.“

Ermutigen Sie Ihre Mitarbeiter

Zeigen Sie, dass Sie zu schätzen wissen, was jemand tagtäglich für das Unternehmen tut. Loten Sie aus, ob Sie jemanden (be-)fördern können, der erkennbar mehr kann. Seien Sie sich bewusst, dass das Verhalten des Chefs oft prägend, für die ganze Abteilung ist. Schreiten Sie auch ein, wenn sie merken, dass eine ungute Hackordnung entsteht. Schauen Sie nicht weg.

FAZIT:

Wenn wir es als Führungskräfte in Zukunft nicht schaffen, einen Draht zu unseren Mitarbeitern aufzubauen, wird es immer schwieriger werden, gute Ergebnisse zu erzielen

Wir müssen die Menschen mitnehmen. Gerade auch unter schwierigen Bedingungen.

1Quelle: IAB / Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (http://www.iab.de); Statistisches Bundesamt (https://www.destatis.de

2Quelle: Schmitt, Manfred J: Abriss der Gerechtigkeitspsychologie, Lehky, Maren: Leadership 2.0

3Quelle: Kirpal, Simone; Biele Mefebue, Astrid: Ich habe einen sicheren Arbeitsplatz, aber keinen Job. Veränderung psychologischer Arbeitsverträge unter Bedingungen von Arbeitsmarktflexibilisierung und organisationaler Transformation; Lehky, Maren: Leadership 2.0