Der Totenhemd-Bog – initiiert von Petra und Annegret – inspiriert mich schon länger. Das Thema: Über das Sterben reden. Den Tod aus der Tabuzone herausholen. Das finde ich mutig und notwendig in der Zeit, in der wir „LEBEN“.

In der Mit-Mach-Blog-Aktion: Da kommt noch was – haben die Beiden folgende Fragen aufgeworfen:

 

  • Welcher Gedanke, welches Bild tröstet mich?
  • Was kommt nach dem Tod?
  • Wie stelle ich mir das Leben nach dem Tod vor?

 

 

Dies sind meine Gedanken dazu:

 

Unsere Vorstellung vom Tod wurde in letzten Jahrhunderten stark von geistlichen Männern und deren Werten geprägt. Ob und welche Rolle Frauen dabei spielten ist meist nicht mehr bekannt oder welchen Beitrag sie dabei leisteten. Die systematische Verfolgung sogenannter Hexen und weiser Frauen während der Inquisition hat dieses Wissen in die Welt der Märchen und Sagen verbannt. Manches Wissen wurde im Volksglauben weitergegeben oder wurde Bestandteil der Heiligenverehrung wie z. B. die heilige Notburga, als Schnitterin des Todes.1)

 

Welcher Gedanke, welches Bild tröstet mich?

 

Perspektivenwechsel: Wie wäre die Vorstellung, der Tod ist nicht männlich, sondern weiblich. Es ist nicht der Tod, sondern die Tödin – eine Gestalt mit mütterlichen Zügen.2)

Bereits in unserer früheren Kultur waren weibliche Gottheiten für das Leben und den Tod, für das Geborenwerden und Sterben, für Werden und Vergehen zuständig. Josef Hanika2) vergleicht die Tödin als frei waltenden Herrin über Geburt, Liebesleben, Eheschließung und über den Tod. Gleichzeitig gilt sie auch als Wächterin der kindlichen Seelen. (Religionsgeschichtlich geht ihre Gestalt zurück auf Holla, Fr. Holle oder Perchta.)

Der Schriftsteller Markus Zusak beschreibt in seinem Buch „Die Bücherdiebin“, den Tod als eine mitfühlende und fröhliche Gestalt, die amüsant, achtsam aber auch traurig sein kann.

Zitat: „Sie tritt hinzu, wenn jemand stirbt, löst seine Seele vom Körper und trägt sie sanft hinweg. In den Bombennächten des zweiten Weltkriegs sammelt sie die Toten in ihren Armen wie eine Mutter, ist aber selbst zermürbt von all den Grauen.“3)

Mit diesem Bild ist es für mich tröstlich, dass nicht ein grausamer und brutaler Tod über mein Ende bestimmt – sondern da wird etwas Weiches und Mütterliches da sein. Etwas, das mich glauben lässt, dass Mitgefühl mitschwingt und dass das Leben mit dem Tod nicht zu Ende sein wird.

 

Was kommt nach dem Tod?

 

Was nach dem Tod kommt, das weiß genau.. Niemand. Denn zurück gekommen aus diesem Reich ist noch keiner. Menschen sprechen von Nahtoterfahrung. Doch wie viel „tot“ ist jemand mit einer Nahtoterfahrung? Wir wissen es einfach nicht.

Doch, was uns Menschen gegeben wurde, ist die Kraft unserer Vorstellung sowie unserer Gedanken und das ist ein wunderbares Geschenk.

Wie wäre es sich eine Welt vorzustellen, in der der Tod nicht fremd, sondern Teil des Lebens ist?

 

Wie stelle ich mir ein Leben nach dem Tod vor?

 

Zu dieser Frage inspiriert mich persönlich ein Märchen aus dem Buch: „Schwester Tod“ von Erni Kutter. Ursprünglich stammte das Märchen von den Gebrüdern Grimm, nacherzählt von Janosch in: „Auch am Abend wird es licht sein: Die Kunst, zu leben und sterben“ von Waldemar Pisarski.

Erni Kutter erlaubt sich in ihrer Version, den Protagonisten ein weibliches Gesicht zu geben.4)

 

„Die Tödin und die Gänsehirtin“

 

„Einmal kam die Tödin über den Fluss, wo die Welt beginnt und endet. Dort lebt eine arme Hirtin, die eine Herde weißer Gänse hütete. „Du weißt wer ich bin, Kameradin?“, fragte die Tödin. „Ich weiß, wer du bist. Du bist die Tödin. Ich sah dich oft auf der anderen Seite des Flusses. Ich kenne dich so gut, dass du mir wie eine Schwester bist.“

Die Tödin sagte: „Dann weißt du, dass ich hier bin, um dich zu holen und mitzunehmen auf die andere Seite des Flusses?“ „Ich weiß es.“ Die Tödin: „Du fürchtest dich?“ „Nein“, sagte die Hirtin, „ich habe immer auf die andere Seite des Flusses geschaut, ich kenne sie. Nur meine Gänse werden dann allein sein.“ „Ach“, sprach die Tödin, „eine andere Hirtin wird kommen.“ „Dann ist das auch so in Ordnung“, sagte die Hirtin.

„Nun werde ich dir noch einige Zeit lassen. Wünsche dir etwas, was ich dir geben werde.“ „Ach“, sprach die Hirtin, „ich habe immer alles gehabt, was ich brauchte: eine Bluse, einen Rock und einiges zur essen. Mehr habe ich nie gewollt. Ich hatte ein glückliches Leben. Ich kann die Flöte spielen.“

Nun gut, die Tödin ging weiter, denn sie hatte noch einige andere in der Welt abzuholen, und kam nach einer Weile wieder. Hinter ihr gingen viele…

Als die Tödin der Gänsehirtin die Hand auf die Schulter legte, stand diese fröhlich auf und ging mit ihr mit, als habe sie ihre Schwester getroffen. Nur die Flöte hätte sie gerne mitgenommen, aber das war nun nicht nötig. Denn die Töne, die sie einst gespielt hatte, waren hinter dem Fluss ewig zu hören.“4)

 

#überssterbenreden

Heidi Leisner

Sterbeamme in Ausbildung
(Sterbeammen-Akademie nach Claudia Cardinal)

 

1) Erni Kutter – Schwester Tod, 2014 – Seite 38 ff.

2) Erni Kutter – Schwester Tod, 2014 – Seite 180 / Josef Hanika, Die Tötin, 1961

3) Erni Kutter – Schwester Tod, 2014 – Seite 61 ff.

4) Erni Kutter – Schwester Tod, 2014 – Seite 58 ff.